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Alternative Playlist
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In einer Hinsicht ist zugehört irreführend, nämlich mit seinen Schwerpunkten. Der überwiegende Teil der Bemühungen in der Popmusik dreht sich nicht um Tonleitern und Akkorde oder überhaupt um die Frage, welche Töne gespielt werden sollen, sondern darum, die Töne gut klingen zu lassen. Das Erfolgsrezept ist, die Musik in erster Linie durch gestalterische Mittel hörenswert zu machen, während die Noten einfach bleiben. So kann die Musik gleichzeitig eingängig und interessant sein. Wo klassische Werke Tausende von Noten auffahren, kommen Popsongs mit Vier-Akkorde-Schleifen und Melodien aus 20 Tönen daher.
Dass es eher nicht die Noten sind, was den Reiz der Popmusik ausmacht, kann man eigentlich wissen. Es wird spätestens an Coverversionen klar. Wenn man von mehreren Stücken mit der gleichen Melodie eins mag und die übrigen nicht, dann kann das schlecht an der Melodie liegen.
Um die Aspekte guter Klang und kreative Gestaltung nicht komplett unter den Tisch fallen zu lassen, wirft dieser Teil einen Blick auf die Audio-Effekte, denn die spielen für beides eine wichtige Rolle. Effekte fließen auf zwei Wegen in die Musik ein. Zum einen kann das schon während der Aufnahme erfolgen, durch Effektgeräte, die in den Signalfluss eingebaut sind. Zum anderen kommen auch beim späteren Abmischen Effekte zum Einsatz.
Eine Auswahl an Effekten wird im Folgenden beschrieben. Die Wirkung ist jeweils an diesem Ausgangsmaterial demonstriert:
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Den Anfang machen nicht die auffälligen, gestalterischen Effekte, sondern die subtilen, die der Optimierung von Klang und Lautstärke dienen. Solche Effekte sind typisch für den Vorgang des Abmischens. Einst nur als teure Geräte für Profis zu haben, finden sie sich heute zunehmend als Software in Projekten wieder.
Ein Kompressor vermindert den Unterschied zwischen Laut und Leise.
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So können leise Passagen eines Stücks verstärkt werden, um es aggressiv und radiotauglich zu machen. Wenn man es damit übertreibt, verliert die Musik ihre Dynamik, und über den Hörer ergießt sich ein gleichbleibend lauter Brei, in dem der Sänger laut murmelt und leise schreit.
Daneben kann der Effekt durch verzögertes Ansprechen auch zum Formen von Klängen und sogar zum Betonen von Pegelspitzen benutzt werden, also dem Gegenteil der ursprünglichen Funktion.
Mit dem Equalizer können Frequenzbereiche angehoben oder abgesenkt werden, was den Klang eines Instruments erheblich verändern kann.
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Vor allem aber werden per Equalizer die verschiedenen Instrumente, die in einem Stück zusammen spielen, gut aufeinander abgestimmt. Das EQing gehört zu den zentralen Maßnahmen beim Abmischen. Idealerweise hat jedes Instrument seinen eigenen Bereich im Frequenzspektrum, andere werden dort gedämpft, damit sich die Klänge nicht gegenseitig stören. Das kann für manche Instrumente sogar zu einem unnatürlichen Klang führen, einzeln gespielt, aber davon ist im Mix nichts mehr zu hören, und entscheidend ist allein der Klang im Mix.
Aber der Equalizer kann auch anders, nicht nur harmonisieren und Probleme verschwinden lassen, er kann auch markante Effekte hervorbringen. So können z.B. hohe Frequenzen per Tiefpassfilter komplett entfernt werden. Das ist besonders auffällig, wenn während des Stücks an der Grenzfrequenz herumgeschraubt wird.
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Noch radikaler ist der Bandpassfilter, der hohe und tiefe Frequenzen entfernt, so dass nur ein Band des Frequenzspektrums hörbar bleibt.
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Nachhall (englisch Reverb) findet sich praktisch in jedem Popsong. Die Klänge der Stimmen und Instrumente sind im Ausgangszustand zu „trocken“ für den vorherrschenden Geschmack, da sie im Studio aufgenommen werden oder gar (wie mein Beispiel) aus elektronischen Instrumenten wie Samplern stammen. Deshalb wird Nachhall künstlich hinzugefügt. Seit den 80ern geschieht das elektronisch mittels Raumsimulation. Vorher benutzte man mechanische Apparaturen (Plate Reverb), noch früher Echokammern. Heute, wie gesagt, hallt meistens die Elektronik, hier die digitale Simulation eines mittelgroßen Saals:
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Das Verhältnis von Klang und Nachhall bestimmt, neben anderen Faktoren, auch die scheinbare Entfernung des Klangs zum Hörer. Geräusche ohne Nachhall wirken z.B. ganz nah. Umgekehrt scheinen Klänge, von denen nur der Nachhall zu hören ist, weit entfernt zu sein. Dadurch ist eine räumliche Staffelung möglich.
Delay ist ebenfalls eine Art von Nachhall, beruht aber nicht auf aufwändiger Simulation, sondern wiederholt den Klang einfach etwas leiser. Es entsteht ein klar definiertes Echo, das sich sogar mit dem Takt synchronisieren lässt.
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Verschiedene Schwingungen.
Vibrato: Schwingen der Tonhöhe
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Tremolo: Schwingen der Lautstärke
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Wahwah: Schwingen der Grenzfrequenz eines Tiefpassfilters
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Auch diese Effekte werden oft synchron zum Takt eingestellt.
Die klassische Verzerrung, wie man sie z.B. aus der Rockmusik kennt, entsteht durch Übersteuern eines Verstärkers und war anfangs, bevor man auf den Geschmack kam, sogar unerwünscht. Im Laufe der Jahrzehnte sind noch ein paar andere Methoden, Klänge zu verzerren, dazu gekommen, und längst gibt es auch spezielle Geräte nur zum Zwecke der Verzerrung.
Was die Hörprobe betrifft: Ja, das ist noch immer ein Klavier.
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Für einen Chorus werden dem Klang leicht verstimmte und verzögerte Kopien seiner selbst beigemischt. Ein einzelnes Instrument wird zum Ensemble.
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Technisch verwandt ist der Flanger. Die verzögerten Kopien sind hier nur sehr leicht verstimmt, und die Verstimmung schwankt, wodurch sich wandernde Interferenzen ergeben.
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Auch dieser Effekt ist hier an Klavierklängen demonstriert, normalerweise kommt er aber bei Sprache und Gesang zum Einsatz. Der ursprüngliche Zweck des Vocoders war, Telefonleitungen effizienter zu nutzen („Voice Encoder“). Das Sprachsignal wird auf seine Hüllkurven für einige wenige Frequenzbänder reduziert und kommt so mit einem Bruchteil der Bandbreite aus. Beim Empfänger werden die Hüllkurven auf eine einfache Rechteck- oder Sägezahnschwingung übertragen. Dadurch wird die Sprache wieder erkennbar, klingt nun aber ulkig-maschinenhaft. Eine Einladung für die Kunst.
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Das Werkzeug wurde zur Korrektur unsauberen Gesangs entwickelt und ist in der Regel nicht hörbar. Es kann aber auch als Mittel der Gestaltung eingesetzt werden („Cher-Effekt“).
Beim Abmischen fließt alles zusammen, und hier entscheidet sich, wie das Stück am Ende klingt. Guter Klang ist in der Popmusik das A und O. Er trägt maßgeblich dazu bei, dass das Stück gefällt. Dabei gibt es zwei Aspekte. Zum einen soll das Stück ausgewogen sein. Der Mix soll nicht blechern, dumpf oder schrill klingen. Alle Instrumente müssen einen guten Platz finden und sich klanglich nicht gegenseitig beeinträchtigen. Die Maßnahmen, die dazu getroffen werden, sind für den Hörer kaum bewusst wahrnehmbar. Er stellt am Ende nur fest, dass der Song gut klingt. Oder eben schlecht, z.B. so:
Zum anderen kann versucht werden, ein Stück durch seinen Klang individuell und interessant sein zu lassen, z.B. durch den Einsatz von Effekten. Dieses Bemühen ist heute Standard. Der unbedarfte Pophörer glaubt, sich an genialen Melodien zu erfreuen, aber oft liegt das Besondere und das Aufwändige eines Stücks im Klang, während die Melodie banal ist. Das Abmischen hat sich zu einer großen Kunst entwickelt, wenn auch zu einer, von der viele nichts ahnen. Im kommerziellen Pop betreibt der Toningenieur enormen Aufwand, um einen dichten und aufregenden Sound zu erreichen. Er streut Geräusche und Effekte ein. Er unterlegt Aufnahmen mit Samples oder Synthesizer-Sounds, damit sie fetter klingen. Der Hörer nimmt drei oder vier Instrumente wahr, aber tatsächlich spielt ein Mehrfaches an Spuren. Bei industriell betreuten Top-Acts arbeiten ganze Teams an der Abmischung, bis hin zu Spezialisten, die sich z.B. einzig und allein um den Klang der Bassdrum kümmern. Erfolgreiche Popmusik ist in der Regel kunstvoll und trickreich abgemischt.
Das war's mit zugehört, ich hoffe, es hat Spaß gemacht.