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Nachdem es bisher nur um die Verhältnisse von Tönen ging, kommt in diesem Teil der Faktor Zeit ins Spiel. Musikstücke sind in der Regel streng strukturiert, ihnen liegt eine gleichmäßige Abfolge von Zählzeiten zugrunde. Die betonten Stellen im Gesang und im Spiel der Instrumente fallen ganz überwiegend mit diesen Zählzeiten zusammen. Das Muster der Betonung wiederholt sich zyklisch. Ein solcher Zyklus aus wenigen Zählzeiten wird ein Takt genannt. Ein Takt beginnt mit der am stärksten betonten Zählzeit im Zyklus, die Zählung fängt dort wieder bei 1 an.
Ein Rhythmus als Beispiel. Zu hören sind zwei Takte mit jeweils vier Zählzeiten, also insgesamt acht Zählzeiten mit der Zählung 1-2-3-4-1-2-3-4. Achtung: Es geht hier erst mal nur um die Abfolge und den Zyklus der Zählzeiten, nicht um die konkrete Gestaltung der Zählzeiten, z.B. per Schlagzeug. Diese kann je nach Rhythmus verschieden sein und bei gleich bleibendem Takt auch wechseln.
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Wie schon bei der Tonart, ist der Großteil der Popmusik auch in Sachen Takt nicht sehr experimentierfreudig. Meistens zieht sich ein nahezu konstanter Takt von der ersten bis zur letzten Sekunde durch das Stück, durch alle Strophen und Refrains und Gitarrensoli, durch sanfte wie intensive Passagen und selbst durch vermeintliche Päuslein. Folgendes Beispiel verwendet durchgehend den Takt von eben, 1-2-3-4-1-2-3-4.
Schön zu erkennen ist die Ausrichtung des Gesangs am Takt. Auf die erste, am stärksten betonte Zählzeit fallen nicht etwa die Anfänge der Textzeilen, sondern die betonten Silben.
Die beiden Hauptmerkmale des Takts machen zusammen die Taktart aus: die Anzahl der Zählzeiten pro Takt und die zeitliche Länge einer Zählzeit. 6/8-Takt (gesprochen „sechs Achtel“) steht z.B. für sechs Zählzeiten pro Takt, die jeweils eine Achtelnote lang sind. Der weitaus größte Teil der Popmusik steht im 4/4-Takt, darunter auch obiges Beispiel, das somit Stellvertreter für Millionen Popsongs ist.
Der Takt hat natürlich viel mit dem Zyklus des Rhythmus zu tun und ist mit diesem oft identisch. Im Beispiel von eben ist das der Fall. Zwei Takte, zwei Zyklen:
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Das ist aber nicht immer so. Der Zyklus kann auch kürzer sein und wiederholt sich dann eben schon innerhalb eines Taktes. Zwei Takte, vier Zyklen:
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Das Zusammenspiel von Melodie und Takt kann recht verschieden gewählt sein. Hier zwei extreme Varianten:
Bei "Yellow Submarine" stürzt sich die Melodie auf die betonten Einsen, besonders in der Strophe. Ganz anders bei "The Boys of Summer": dort geht der Gesang den Einsen überwiegend aus dem Weg und begnügt sich mit den weniger betonten Zählzeiten 2, 3 und 4. Die Instrumente betonen aber sehr wohl die 1, was in der ersten Hälfte des Refrains zu so etwas wie einem Wechselspiel zwischen der Melodie und den Akkorden der Gitarre führt.
Andere Taktarten als 4/4 fristen in der Popmusik ein Dasein von wenigen Prozent Anteil, und zwar gemeinsam. Innerhalb dieser Gruppe wiederum dominiert Tripeltakt. Unter diesem Begriff werden alle Taktarten zusammengefasst, deren Zähler (Zählzeiten pro Takt) durch 3 teilbar ist, also z.B. 6/8. Da der rhythmische Zyklus, wie eben gesehen, nicht immer mit einem Takt übereinstimmt, ist die genaue Taktart schwer zu erkennen. Eindeutig ist aber meistens die prinzipielle Zugehörigkeit zur Gruppe der Tripeltakte, da sich die Drei auch im Rhythmus wiederfindet.
Oft ist das ein Rhythmus aus sechs Achtelnoten, hier zwei Zyklen:
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Falls das einer schunkelig findet: Stimmt. Die meisten Songs dieser Art sind Balladen.
Andere Varianten kommen aber auch vor, z.B. dieser kurze Zyklus:
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Die Taktart beschreibt die Abfolge der Zählzeiten, aber sie lässt offen, was dazwischen geschieht. Auch dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die betonteste Stelle zwischen zwei Zählzeiten ist in der Regel die Mitte dazwischen. Im üblichen 4/4-Takt wären das also die mittig gelegenen Achtelnoten. Falls man die zählen möchte, spricht man sie als „und“, also 1-und-2-und-3-und-4-und.
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Manche Stücke machen sich einen Spaß daraus, die mittigen Achtel stärker zu betonen als die Zählzeiten. Im Reggae z.B. ist das gang und gäbe.
Auch am Timing dieser Schläge lässt sich herumschrauben. Ein beliebtes Stilmittel ist das durchgehende leichte Verzögern, genannt Swing. Alle Achtelnoten zwischen den Zählzeiten beginnen damit etwas später und sind folglich auch kürzer. Gleichzeitig werden die Achtelnoten auf den Zählzeiten natürlich länger, weil die folgende Note später beginnt.
Bei leichtem Swing ist das kaum bewusst wahrzunehmen, zumal durch einen Laien. Die Musik klingt nur irgendwie anders, beschwingter eben. Es gibt aber auch sehr deftigen Swing. Die maximale Ausprägung ist erreicht, wenn die langen Achtel genau doppelt so lang sind wie die kurzen. Die langen haben dann 2/3 der Länge einer Viertelnote und die kurzen 1/3. Diese Variante hat auch einen eigenen Namen: Shuffle.
4/4-Takt mit regulären Achteln
4/4-Takt mit mittlerem Swing
4/4-Takt mit Shuffle
Von oben nach unten
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Einen astreinen, durchgängigen Shuffle hatten wir hier schon, nämlich "Yellow Submarine". Dort sind im gesamten Stück die Silben auf den mittigen Achteln maximal verzögert - im Refrain z.B. die Silben „-llow“ und „-ma-“ von „yellow submarine“ .
In manchen Genres ist der Shuffle häufig zu hören, z.B. im Rock 'n' Roll.
Dieses Stück deutet es schon an, z.B. bei den Gitarren-Einlagen: Der Shuffle ist ein Zwitter, er lässt sich auf zwei Arten interpretieren. Einerseits ist er die Extremform des Swing, also eine Unterteilung der Viertelnoten in jeweils zwei Achtelnoten (binäre Teilung), die ungleich lang sind. Ebensogut kann man sich aber vorstellen, dass die Viertelnoten in jeweils drei Achtelnoten unterteilt sind (ternäre Teilung), die alle gleich lang sind, und von denen jeweils eine schlicht nicht mit einem Ton besetzt ist. Das ist überhaupt nicht abwegig, denn ternäre Rhythmen existieren auch jenseits des Shuffle. Mit dieser Interpretation ist man mit dem Shuffle doch wieder in einem strengen Zeitraster gelandet, nur eben einem anderen.
4/4-Takt mit Shuffle
4/4-Takt mit allen Schlägen der ternären Rhythmik
Von oben nach unten. Shuffle ist ein ternärer Rhythmus und geht nahtlos in andere ternäre Rhythmen über.
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Insgesamt sind ternäre Rhythmen in der Popmusik aber eher ungewöhnlich.
Zweimal der gleiche Rhythmus aus vier Tönen, bei den Rolling Stones gesungen als „I can't get no“ oder „Sa-tis-fac-tion“, bei ABBA als Klaviersequenz, z.B. gleich am Anfang. Wie verhält sich dieser Rhythmus zum 4/4-Takt der Stücke? Auf welche Zählzeiten fallen die vier Töne?
Um den Takt deutlich zu machen, ist er hier als einfache Schlagzeugbegleitung dazugelegt.
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Der einzige der vier Töne, der auf eine betonte Zählzeit fällt, ist der dritte, das „get“, er fällt auf eine 1. Schon der erste Ton ist gegenüber dem natürlichen Betonungsmuster der Taktart verschoben. Er lässt die betonte 1 aus und kommt erst bei der schwächeren 2. Noch bunter treiben es die übrigen beiden Töne, die nicht einmal mit einer Zählzeit zusammenfallen, sondern dazwischen liegen.
Solche „Regelverstöße“ finden sich häufig in Musikstücken. Darin liegt ein wichtiges Gestaltungsmittel, ohne das viele Songs ziemlich banal klingen würden - „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ lässt grüßen.
Verschiebungen gegen das Betonungsmuster der Taktart nennen Musiker Synkopen. Leider sind sie sich dabei selbst nicht einig, für welche Spielarten der Name gelten soll. Dass ich im Folgenden jede Unregelmäßigkeit als Synkopierung bezeichne, ist gewagt. Der Leser möge aus diesem Abschnitt also bitte nicht hauptsächlich den Namen des Stilmittels mitnehmen, sondern seine Existenz und seinen Klang. Wie Fachleute die Sache nennen oder nicht nennen, ist für uns „Passivmusiker“ am Ende nicht so wichtig.
Eine häufige Art von Verschiebung ist die vorgezogene 1. Dabei erklingt ein Ton, der nach strengem Taktmuster auf der 1 sitzen würde, schon eine halbe Zählzeit früher, bei 4/4-Takt also eine Achtelnote.
Erste Textzeile: „I'm not going down on my knees begging you to adore me.“ - Das „knees“ und die betonte zweite Silbe von „adore“ liegen jeweils nicht auf der betonten 1, sondern beginnen schon eine Achtelnote vorher und nehmen dann den Schlag der 1 mit. Gleiches findet sich im Refrain.
Folgender Song treibt das noch weiter und zieht im Refrain (der die ganze zweite Hälfte einschließt) die komplette Ausstattung der 1 auf die Achtelnote davor: Bassdrum, scheppernde Becken, Akkordwechsel. Auf der eigentlichen 1 bleibt dann nur noch das sanfte Zwitschern des Ride-Beckens übrig.
Zunehmende Synkopierung wirkt dramatisch, speziell beim Gesang.
Manche Stücke werden durch ihre spezielle Synkopierung regelrecht geprägt.
4/4-Takt mit einem synkopierten Piano-Rhythmus. Da andere Rhythmusinstrumente fehlen und außerdem die Akkordwechsel ebenfalls unregelmäßig sind, ist die Taktart kaum noch zu erkennen. Auch hier hilft wieder das Schlagzeug, den Takt nachzuvollziehen, und damit klingt das Ganze schon viel weniger verrückt:
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Zurück zum Takt. Wie die Tonart, kann auch die Taktart innerhalb eines Stücks wechseln.
Die Strophen in Tripeltakt, die Refrains in 4/4.
Und gleich nochmal die Beatles.
Das Original steht in 4/4, die Coverversion von Joe Cocker ist auf Tripeltakt umgeschrieben. Das bringt einen ganz anderen Rhythmus und macht aus einem lässigen Stück ein dramatisches.
Dann gibt es noch den seltenen 7/4-Takt. Das sieht ziemlich schief aus, und man könnte erwarten, dass solche Stücke recht auffällig sind, aber das muss gar nicht sein.
Eine Fundgrube für Spielereien mit dem Takt ist der Rock, dort finden sich häufig exotische Varianten, Brüche und Wechsel.
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